Alice Creischer, Andreas Siekmann and the Brukman labourers
Opening: Friday January 19, 2007, 7pm
Exhibition: January 20 – February 17
open: Friday and Saturday 3 – 7pm or by app.
* Title is borrowed from a song by Annette Wehrmann, Christoph Schäfer and Cathy Skene, Hamburg 1988
after the butcher – showroom for contemporary art – is pleased to present &Mac226;Half Jacket – Half Human’ an exhibition with Berlin based artists Alice Creischer and Andreas Siekmann. The show comprises drawings and in particular ten suits which were developed by the artists in collaboration with labourers of Brukam an occupied textile mill in Buenos Aires.
Creischer and Siekmann do their work both separately and collaboratively. Developing radical critique on the structures of power and domination their projects mostly deal with political and social questions of our everyday-life. They question us and themselves to what extend the search for alternative living and working conditions may deliver solutions of the conflicts and contradictions.
Creischer and Siekmann are doing this not only as artists but as curators, too. They organized group shows like “Violence is at the Margin of All Things”, Generali Foundation, Vienna in 2002 and „ExArgentina“, Museum Ludwig, Cologn in 2003.
Alice Creischer was awarded with the Edward Munch-Prize in Oslo, 2006. Andreas Siekman will participate at Sculpture-Projects Munster – both will participate at Documenta XII in Kassel.
Saturday, February 3, from 7pm: short animation films and discussion
As part of the exhibition &Mac226;Half Jacket – Half Human’ after the butcher is showing five animation films by Alice Creischer und Andreas Siekmann. They are part of a ‘science fiction’ of a labour liberated society. Afterwards the artists, together with Christian von Borries will present their plan for a musical (opera) for a “labour liberated society” to be staged in a shopping mall in Kassel. There will be the opportunity to discuss. („Opera“ and „labour liberated“ are temporary and to the artists quite uncanny terms.)
The below text is not available in English yet.
Alice Creischer und Andreas Siekmann über ihre Arbeit „Half Jacket – Half Human“:
„Im Dezember 2002 wurde die Kleiderfabrik Brukman in Buenos
Aires von den Arbeiterinnen besetzt und wird seitdem von ihnen in
Eigenregie weitergeführt. Diese Besetzung ist kein Einzelfall, sondern
Teil einer Bewegung von Fabrikbesetzungen und neuen Experimenten von
Selbstregierung, die vor und nach der ökonomischen und politischen Krise
in Argentinien im Dezember 2001 stattfinden. Im Rahmen unseres
Projektes ExArgentina haben wir zusammen mit den Arbeiterinnen von
Brukman zehn Anzüge hergestellt. Sie sind geteilt; ihre Hälften erzählen
zwei parallele Geschichten über die Symmetrie von Krise: die Besetzung
der Fabrik und die Communiques auf dem G8 Gipfel, der 1999 im Museum
Ludwig in Köln stattfand, als der argentinische Präsident Menem noch der
Lieblingsschüler der neoliberalen Weltfunktionäre war. Ein Teil der
Anzüge wurde 2003 in der Ausstellung: „ExArgentina – Schritte zur Flucht von der Arbeit zum Tun“
im Museum Ludwig in Köln gezeigt. ExArgentina war ein Projekt, in dem
Künstler aus Argentinien und Europa über die argentinische Krise als
Modellfall für die Auswirkungen der internationalen Wirtschaftspolitik
und ihrer neoliberalen Ideologie arbeiteten.
Man kann sagen, dass „Brukman“ eher von den Unternehmern
verlassen als von den Arbeitern besetzt wurde. Man kann auch sagen, dass
die Kapitalflucht eher ein Merkmal der Flexibilität von Investment ist,
als das von Krisen, wenn Krisen Ausnahmen bezeichnen. Die politische
Verständigung der Gipfel ist eher eine Ermöglichung als eine
Intervention in diese Krisenhaftigkeit, die keine ist.
Aber die Flucht des Kapitals produziert nicht nur Opfer, sondern
sie hat eine Symmetrie in dem Verlassen seiner Ordnung, seiner
Versprechen und seines common sense. In ihrem langen Kampf gegen die
Polizei, wurde „Brukman“ ein Symbol für diese Flucht von der Arbeit zu einem anderen sozialen Tun.
2005 wurde ExArgentina in Buenos Aires gezeigt.
Allerdings war es nicht mehr dieselbe Ausstellung, wie vor zwei Jahren,
u.a. weil es einen politischen Prozess gab, den man Normalisierung
nennen kann und der für Europa und Südamerika gleichermaßen gilt. Diese
Normalisierung betraf auch Brukman.
Es gibt verschiedene Methoden von „Normalisierung“. Eine ist die
Kriminalisierung der Bewegungen. Eine andere heißt Vereinnahmung. Sie
ist schwieriger zu schildern, weil Vereinnahmung nie so total ist, wie
sie gerne wäre, und weil man dazu neigt, etwas schnell als „vereinnahmt“
abzuhaken und nicht merkt, wie sehr man selbst in diesem Urteil etwas
„normalisiert“. Für die Ausstellung in Buenos Aires, die “La Normalidad”
hieß, sind zwei neue Anzüge entstanden. Sie sind wieder in zwei Hälften
geteilt. Die einen Hälften erzählen von dem Boykott von chinesischen
Textilwaren in Europa und von einem Streik, der 2005 in der
indonesischen Kleiderfabrik Katexindo Citra Mandiri stattfand. Die
beiden anderen Hälften erzählen die Geschichte der Fabrik Brukman weiter
und schildern einen Konflikt: Durch die Vermittlung des Anwalts Luis
Caro wird der Betrieb und seine Produktion von der Stadt geduldet.
Dieser Status der „Duldung“ ist ein vollkommen ungesicherter und kann
sich daher jederzeit in eine Drohung verwandeln, die für die
Arbeiterinnen politische Aussagen erschwert und Aktivitäten erstickt.
Möglicherweise gibt es auch eine Form der Erschöpfung, die von einigen
Funktionären ausgenutzt wird, um die „Ordnung“ – die Unberührbarkeit und
Trennung zwischen Politik und Arbeit – wieder einzurichten. Viele
Arbeiterinnen haben diesmal der Umsetzung unserer Entwürfe nur zögernd
zugestimmt. Umso mehr schätzen wir den Mut derjenigen, die dies trotz
Drohung mit Repressionen getan und unsere Kooperation auch initiiert
haben.
Für uns selbst als EU-Mitglieder hat sich in dieser
Zusammenarbeit wenig die Frage gestellt, ob wir in dem Gefälle unserer
Privilegien die Arbeiterinnen ausnutzen und eine weitere Authentik im
Kunstbereich ausspielen. Zu sehr überzeugte uns die Gelegenheit, dass es
wichtig ist, eine Bewegung zu würdigen. Uns scheinen in Europa solche
Formen von Kooperation blockiert zu sein, möglicherweise, weil die
gegenseitigen Ressentiments in ihrem Anspruch auf Wahrheit und Coolness
eine mögliche Solidarität verdrängen. Vielleicht sind diese
Ressentiments auch leerlaufende Gebetstrommeln, weil sie sich auf keine
soziale Realität sondern nur noch auf historische Klischees beziehen –
ohne eigene Erfahrung. Deswegen möchten wir die Anzüge hier zeigen.“