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atb #09 | Beschlagnahmt: R. Heißler

Objekte aus dem Gefängnis
Ein Ausstellungsprojekt von Joachim Baur

Ausstellung: 27. Oktober – 17. November 2007
geöffnet Do, Fr, Sa 15.00 – 19.00 und nach tel. Vereinbarung +49 (0)179 947 30 40

Sonntag, 28.10.2007, 18.00 Diskussion mit Rolf Heißler
Donnerstag 1.11.2007, 19.00 Werkstattgespräch mit Kurator Joachim Baur
(in Kooperation mit Schnittpunkt Berlin – Ausstellungstheorie & Praxis)


Rolf Heißler war Mitglied der RAF. In den 22 Jahren seiner Haft von 1979-2001 wurde seine Post überwacht, knapp 2000 Sendungen wurden beschlagnahmt. Anhand ausgewählter Objekte thematisiert die Ausstellung den Kampf um Kontrolle, die Versuche der Kommunikation sowie verschiedene Dimensionen der Projektion unter den Bedingungen der Isolation. Sie wirft damit einen anderen Blick auf die lange Geschichte der Konfrontation von RAF, Staat und politischer Bewegung.

Eine rote Plastiknelke, getrocknete Orangenschalen, zahllose Flugblätter, Muscheln und Trockenblumen, Wunderkerzen, Zeitungsartikel, Plakate, Postkarten, Wollsocken, ein selbst gemaltes Kinderbild, Lavendel. Es sind die unterschiedlichsten Dinge, die Rolf Heißler in den 22 Jahren Haft von 1979-2001 ins Gefängnis geschickt wurden – gemeinsam ist ihnen, dass sie beschlagnahmt wurden. Vieles davon erscheint zunächst unscheinbar. Bei etlichen Sachen stellt sich gleichermaßen die Frage, warum sie geschickt und warum sie „angehalten“ wurden.

Auf den zweiten Blick entdecken sich in den Dingen jedoch die Bedingungen der Isolationshaft ebenso wie die Versuche, sie zu durchbrechen. Die Objekte sind Sedimente der Haftbestimmungen und sichtbare Zeugen eines panoptischen Gefängnisregimes, das auf der Ausgrenzung sinnlicher Wahrnehmung basiert. Sie stehen für die hartnäckigen Versuche, Beziehungen und Kommunikation aufzubauen zwischen „draußen“ und „drinnen“. Sie offenbaren vielfältige Formen der Projektion, etwa des Staates von der Gefährlichkeit banalster Objekte oder der BriefschreiberInnen von den Bedürfnissen des Gefangenen. Gleichsam alltäglich veranschaulichen sie ein jahrelanges, ständiges Ringen um Kontrolle – der Gefängnisleitung über „Sicherheit und Ordnung des Vollzugs“, des Gefangenen über sein Leben. Denn auch die Subjekt-Position Heißlers als aktiver Teil der Auseinandersetzung ist im Zusammenhang mit den Dingen erfahrbar. Zahllose Beschwerdebriefe und ein Ordner, in dem Heißler sämtliche Beschlagnahmen notiert und kommentiert hat, demonstrieren seine Strategie einer „Kontrolle der Kontrolle“.

Schließlich erscheinen in diesen „angehaltenen“ Postsendungen – wie in einem mehrfach gebrochenen Spiegel – die sozialen und politischen Bewegungen der 80er und 90er Jahre mit ihren Themen, Diskussionen und Konjunkturen: internationale Solidaritätsbewegung, Hausbesetzer, Antifa, Anti-Kriegs- und Frauenbewegung, Proteste gegen Volkszählung und soziale Ungleichheit. Die Objekte entfalten so auf ungewohntem Terrain eine komplexe „Dreiecksbeziehung“ zwischen Staat, Bewegung und Gefangenem aus der RAF.